Antifaschistische Jugend Freiburg

Aus „Gedenken“ wird „Kämpfen“!

Nun ist seit dem rechtsterroristischen Anschlag auf die Synagoge in Halle ein Jahr vergangen.
(Kurz entsetzt und schon vergessen)
Dieser Anschlag war zwar extrem schockierend, aber keinesfalls überraschend vor dem Hintergrund der langen Tradition antisemitischer Stereotype in Deutschland, die das gesellschaftliche Klima für solche Gewalt bereiten. Wir müssen uns die Frage stellen, was den Täter denken ließ, mit seinen Taten in der Bevölkerung Rückhalt zu stoßen, durch was fühlte er sich legitimiert? Und warum können solche rechtsterroristischen Gewalttaten seit Jahrzehnten immer wieder passieren?

Typisch für Deutschland ist das lang eingeübte Wegschauen, das Relativieren, das Kleinreden, wenn es um rechten Terror geht. Typisch ist die kurze Empörung und dann direkt folgend das Vergessen. Typisch ist das kollektive Verdrängen der eigenen und gesamtgesellschaftlichen Verantwortung.

Anfang des Monats hat sich hat sich die Wiedervereinigung 30 gejährt, das Wochenende war Normalität in Deutschland ab: gleich zwei rechte Gewalttaten in Marbach und in Hamburg.
Natürlich werden wieder die seit Jahrzehnten ausgelutschten Floskeln von wegen „Einzeltäter“ und „geistig verwirrt“ benutzt: es wird ignoriert, dass sich Neonazis systematisch organisieren (unter anderm zum Beispiel: Todeslisten schreiben, Netzwerke aufbauen, sich auf bewaffnete Konflikte vorbereiten, mit der AfD einen parlamentarischen Arm haben, in Polizei und Bundeswehr dominieren).
Es werden die ideologischen Voraussetzungen (Antisemitismus, Rassismus etc.) und deren Verankerung in der Gesellschaft ignoriert. Dadurch wird verschleiert, dass rechtes Gedankengut auch tief in der sich noch so demokratisch wähnenden sogenannten bürgerlichen Mitte vorhanden ist. Somit kann sich die „Mitte“ jeglicher Verantwortung und damit Handlungsdruck entziehen, denn antisemitisch, rassistisch, etc. seien ja immer nur die „Anderen“. So kann die sich als liberal verstehende Mitte das Problem schön bequem von sich selbst wegschieben.
Dadurch wird jedes kritische Hinterfragen der gesellschaftlichen Vorraussetzungen, die ein solche Verbrechen ermöglichen und ein Vorgehen dagegen verhindert.
Doch um aktiv faschistische Gewalt zu verhindern, müssen wir als ersten Schritt verstehen und benennen, dass dies ein gesellschaftliches Problem ist und nicht nur vereinzelte Täter! (Auch wenn um den psychischen Gesundheitszustand des Täters im Falle von Hamburg und Marbach noch diskutiert wird, war trotzdem Antisemitismus/rechtes Gedankengut die Motivation!)

Was in den offiziellen, nationalistischen Feierlichkeiten zur Wiedervereinigung geflissentlich unbeachtet bleibt, ist der massiver Anstieg rechten Terrors in den 90er-Jahren. Noch in der Nacht vom 2 Oktober 1990 gab es in sehr vielen Städten pogromartige Angriffe organisierter Neonazis gegen als ausländisch wahrgenommene Menschen sowie linke Projekte. (siehe Recherche-Projekt zweiteroktober90.de)

Trotzdem gab es an dem 30-Jahre-Wiedervereinigungswochenende auch positive Nachrichten: In Berlin und in Steinen gab es erfolgreiche antifaschistische Mobilisierungen – in Berlin wurde der Naziaufmarsch des „III.Wegs“ trotz viel Polizeipräsenz und -gewalt blockiert, in Steinen wurde der Auftritt Gaulands der AfD sehr unangenehm gemacht, wobei ein AfDler versuchte mit dem Auto in die Menschenmenge zu fahren, das Auto wurde dementsprechend demoliert. Die größenwahnsinnigen Ankündigungen der Verschwörungsgläubigen in Konstanz scheiterten, es gab antifaschistische Gegendemonstrationen.

Angefangen vom Oktoberfest-Attentat vor 40 Jahren über den NSU bis zu den Morden in Hanau diesen Jahres hat rechter Terror in Deutschland eine lange Geschichte.
Seit 1990 wurden 208 Menschen in Deutschland durch faschistische Gewalttaten ermordet, d.h. durchschnittlich seit 30 Jahren jeden zweiten Monat ein rechter Mord.

Die Zahl antisemitischer Straftaten befand sich 2019 auf dem höchsten jemals registrierten Wert seit Start der Erfassung vor 20 Jahren. 93% davon sind rechtsmotiviert. Dabei ist diese polizeiliche Erfassung nur ein kleiner Ausschnitt, denn tatsächlich ist die Dunkelziffer drastisch höher, da nur ein Viertel (!) der antisemitischen Straftaten angezeigt werden. Jüd*innen in Deutschland leben in konstanter Angst, mit der immer vorhandenen Gefahr eines Übergriffs und dem permanenten Gedanken, in ein anderes Land ziehen zu müssen.

Dass die Aufarbeitung der Geschichte des Antisemitismus immer noch notwendig und hochaktuell ist, zeigt auch die Debatte um das Denkmal des Antisemiten Karl-Lueger in Wien (wobei neulich Antifaschist*innen mit einem Auto angegriffen und zum Glück nur leicht verletzt wurden).
Besonders der enorme Aufstieg von abstrusesten Verschwörungsmythen während der Corona-Pandemie zeigte abermals, wie weit antisemitische Stereotype verbreitet und für erschreckend viele Menschen anschlussfähig sind. Schockierend, aber nicht überraschend, war und ist die vollkommen nicht-existente Abgrenzung nicht nur der Esoterik-Szene, sondern auch Teilen des Öko-Milieus und der sogenannten Mitte, gegenüber Antisemit*innen und Faschist*innen. Auch in Freiburg versammelten sich monatelang wöchentlich ebensolche Spinner zusammen mit Nazis, was erschreckenderweise in linkspolitischen Kreisen kaum Beachtung fand, weshalb es nur kleinen Gegenprotest gab. Nur dank der Recherche engagierter Antifaschist*innen werden diese Kundgebungen beobachtet, die Neonazis identifiziert, enttarnt und konfrontiert.

Das Erinnern an die Opfer antisemitischer und rassistischer Gewalt ist auch deshalb immer wichtig, weil es bald keine Überlebenden/Zeitzeug*innen des Holocaust mehr geben wird. Diese und die Schicksale von Opfern im post-NS-Deutschland dürfen nicht vergessen werden!

Leider werden antifaschistische Strukturen immer wieder kriminalisiert und diskreditiert, Polizeigewalt ebenso wie Diffamierung in der Berichterstattung ausgesetzt, dies zeigen zum Beispiel die Prozesse um „Basel Nazifrei!“.
Lasst uns dem entgegenwirken, Vorurteile und Falschwahrnehmungen über Antifaschismus korrigieren und uns solidarisch gegen Repression organisieren! Tretet in die Rote Hilfe ein!

Wir müssen Antisemitismus und Rassismus erkennen, benennen und aktiv bekämpfen!
Rechte Propaganda darf nie unwidersprochen bleiben, denn die führt einletzter Konsequenz zu Terror und Gewalt. Wer dabei schweigt, stimmt zu!
Deshalb ist es notwendig uns zu organisieren, banden zu bilden und Widerstand zu leisten!

No pasáran!