Antifaschistische Jugend Freiburg

Fingerabdruck-Pflicht in Personalausweisen

Ab dem 2. August 2021 wird es in Deutschland die Fingerabdruck-Pflicht in Personalausweisen geben. Die Umsetzung der EU-Verordnung wurde im November 2020 im Bundestag beschlossen. Dafür, dass dieses absurde Gesetz wirklich in die Tat umgesetzt wird, sind die Stimmen der (wer hätte es gedacht) CDU/CSU und SPD verantwortlich. 
Dadurch dass in Deutschland eine Ausweispflicht gilt und auf dem Reisepass bereits Fingerabdrücke gespeichert werden müssen, gibt es ab dem 2. August kein Dokument mehr, mit dem sich Menschen ohne Fingerabdrücke ausweisen können. 
Das heißt konkret, dass ab dem 2. August alle* dazu verpflichtet sind, den Abdruck ihres linken und rechten Zeigefingers auf ihrem Personalausweis speichern zu lassen. Bis zum 2. August gibt es noch die letzte Möglichkeit, einen Personalausweis ohne Fingerabdrücke zu beantragen.
 
Fingerabdruck-Pflicht als Mittel gegen Terrorismus?
Begründet wurde die Verordnung damit, dass bei einer Pflicht zur Abgabe von Fingerabdrücken Personalausweise fälschungssicherer seien und mensch so besser gegen Terrorismus und grenzüberschreitende Kriminalität vorgehen könne. Und dies obwohl durch technische Verbesserungen die Zahl von gefälschten Dokumenten die letzten Jahre stark zurück gegangen ist. [Siehe PDF S.22]  Zusätzlich ist es nicht nachgewiesen, dass die Verordnung zur Verhinderung von Terrorismus beiträgt. Bei den NSU-Morden und dem Terroranschlag von Anis Amri waren die Täter*innen behördlich bekannt. Das Problem der Ermittlungsbehörden waren also nicht die Fehlenden Daten, fehlenden Überwachungs- und Identifizierungsmöglichkeiten. Bei einer anderen Recherche zu diesem Thema wurden weitere Terroranschläge untersucht. Der Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel (24. Mai 2014), Anschläge auf Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt in Paris (7. Januar 2015), der Doppelanschlag auf das Kulturzentrum und die Synagoge in Kopenhagen (14./15. Februar 2015), Anschläge des 13. November 2015 in Paris und Anschläge des 22. März 2016 in Brüssel. Von den 17 Attentäter*innen sind zwei noch unbekannt. Aber alle* 15 identifizierten Attentäter*innen sind behördlich bekannt und auch schon lange polizeibekannt.
 
Und wie sieht’s mit dem Datenschutz aus?
Die Behörden verpflichten sich dazu, sicherzustellen, dass Ausweise nicht gehackt werden können und nicht ohne Zustimmung auf die Daten zugegriffen werden kann. Doch wie sie dies technisch umsetzen wollen bleibt offen. Selbst vermeintlich sichere Systeme werden heutzutage immer wieder gehackt, was in Zeiten von immer neuen Datenlecks kein Geheimnis mehr ist. 
Datenbanken von Verwaltungen, Polizei, Geheimdiensten und Firmen wachsen ständig.
In Deutschland dürfen Bullen und Geheimdienste seit 2017 automatisch und ohne Protokollierung auf vorhandene biometrische Daten zugreifen. Dass gefordert wird, auch Fingerabdrücke zentral zu speichern, damit die Bullerei zugriff darauf hat, ist nur eine Frage der Zeit. 
Es wird auch gesagt, dass bei einer Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleistungsanbieter private Unternehmen Zugriff auf die Daten bekommen können.
Aller spätestens beim Auslesen der Personalausweise in anderen Ländern, in denen Freiheitsrechte weniger geschützt sind, gibt es keine Kontrolle darüber, wer Zugriff auf die biometrischen Daten erhält.
Zusammengefasst werden zukünftig die Daten von Personalausweisen durch den Zugriff von Geheimdiensten, in- und ausländischen Behörden und kommerziellen Dienstleistern außer Kontrolle geraten.
 
Sind doch nur Fingerabdrücke?
Fingerabdrücke sind ein biometrisches Merkmal, welches einen Menschen ein Leben lang kontrollierbar macht. Menschen können einen Namen und Wohnort wechseln um sich vor Verfolgung oder Bedrohung zu schützen. Fingerabdrücke hingegen nicht. Biometrische Erfassung von Fingerabdrücken ist ein gefährlicher Übergriff des Staats auf die Bevölkerung. Zusätzlich werden Fingerabdrücke schon heute als Schlüssel für Smartphones, Büros, Häuser und Fahrzeuge genutzt. Wenn sie gehackt und gestohlen werden, können wir sie im Gegensatz zu Passwörter nicht ändern.
 
Geschichte der Ausweise
Die erste Ausweispflicht in Deutschland wurde von den Nazis im Juli 1938 mit der „Kennkarte“ eingeführt. Es gab drei Verordnungen für wen es verpflichtend war, eine Kennkarte bei sich zu führen. Dazu zählten alle wehrpflichtigen Männer, Grenzgänger*innen und Menschen jüdischen Glaubens. In Spanien wurde 1940, während der Franco-Diktatur, die Erfassung von Fingerabdrücken für die nationale Identitätskarte eingeführt und gilt bis heute. In Frankreich nutzte das Vichy-Regime ab 1942 den Eintrag Jude/Jüdin auf Ausweisen für die Deportation von 76.000 Menschen im Holocaust. 
Das Konzept der Ausweispflicht wurde von verbrecherischen Regimen eingeführt, an nachfolgende Regierungsformen angepasst und technisch verfeinert. Dies war der Beginn eines überwachungsstaatlichen Modells, welches seither nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt wurde. [Mehr dazu]
 
Aktiv werden
Bis zum 2. August 2021 hat jede*r noch die Möglichkeit einen Personalausweis ohne Fingerabdrücke zu beantragen (Denkt daran, dass es bis zu sechs Wochen dauern kann, einen Termin zu bekommen).
Manche Behörden bestehen auf die Abgabe von Fingerabdrücken, obwohl das noch bis zum 2. August freiwillig ist. Mehr Infos darüber findet ihr hier.
Da Ausweise maximal 10 Jahre gültig sind, ist es notwendig politisch dagegen vorzugehen. Unsere Kritik und Ablehnung muss lauter werden, um der Regierung Druck zu machen. Es muss gezeigt werden, dass dieses Gesetz nicht einfach so hinnehmbar ist und dass Freiheit nicht für vermeintliche Sicherheit eingeschränkt werden darf!
 
Gesetzeslücke?
Um die Fingerabrucksabgabe zu umgehen, scheint es eine kleine Gesetzeslücke zu geben:
„Die Mitgliedstaaten stellen einen Personalausweis mit einer Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten oder weniger aus, wenn vorübergehend aus physischen Gründen von keinem der Finger Fingerabdrücke genommen werden können.“ [Siehe Seite 8]
Ob es wirklich möglich ist die Fingerabdruck Abgabe damit zu umgehen, können wir jetzt noch nicht sagen, aber ausprobieren schadet nicht.
 
Von der Regierung wird wieder einmal Angst geschürt um unnötige und unverhältnismäßige Verordnungen durchzuboxen.Genau wie bei neuen Polizeigesetzen etc. wird den Menschen Angst eingeredet, um sie dann mit Repression und Überwachung zu „beruhigen“. Solche Überwachungsmaßnahmen werden oft ausgeweitet, aber nie zurückgenommen.  
 
Freiheit stirbt mit Sicherheit!
 
 
 
Quellen: