Antifaschistische Jugend Freiburg

Rückblick auf Polizeigewalt und Repression im Zuge der Danni Räumung

*Triggerwarnung: Polizeigewalt!

Disclaimer: Dieser Text hat uns eine Person zukommen lassen. Der Bericht beruht auf Erfahrungen dieser Person. Zusammenhänge zwischen der Person und der Antifaschistischen Jugend Freiburg bestehen nicht.

Über 40 Jahre kämpften Menschen gegen den Ausbau der A49. In diesen 40 Jahren hat sich der Zustand unseres Planeten massiv verschlechtert. Die Klimakrise ist enorm vorran geschritten. Aufgrund der Folgen des Klimawandels – wie Trockenheit, Wasserknappheit und Überschwemmungen – sind bereits 20 Millionen Menschen auf der Flucht. Wir nähern uns Kipppunken, welche unser Ökosystem entgültig zerstören könnten. Um das zu verhindern müssen wir sofort alles daran setzen die Treibhausgase zu reduzieren. Stattdessen haben wir soeben
ausgerechnet für den Bau einer Autobahn einen beispielhaften, gesunden Mischwald verloren und gefährden durch den Bau der Autobahn ein wichtiges Trinkwasserschutzgebiet. Dies zeigt einmal mehr, dass Kapitalismus und Klimagerechtigkeit unvereinbar sind.
Dem haben sich Aktivist*innen entschieden entgegen gestellt, indem sie vor über einem Jahr den  Dannenröder Wald besetzten. Am 1. Oktober begann die Rodungssaison und die Polizei rückte mit einem  Großaufgebot an, um die Rodungsarbeiten zu gewährleisten. Zunächst wurde die Trasse im Maulbacher und Herren(los)wald gerodet, dann begannen die Bullen die Barrios (Baumhausdörfer) im Danni gewaltvoll zu räumen und die Harvester fällten die bis zu 300 Jahre alten Bäume in rasantem Tempo.
Ich erinnere mich, wie ich vom SEK in die Hebebühne gezogen und zu Boden gedrückt wurde, ein Beamter kniet auf meinem Kopf, sodass ich nichts sah – dass einzige, was ich hörte, war das Schreien meines Bezugsmenschens, welche zum selben Zeitpunkt von einem anderen Baum geräumt wurde.
Am Boden angekommen wurde ich zu Boden geworfen, mir wurden die Hände mit Kabelbindern zugeschnürt. Aber am schlimmsten war, dass ich meinen Bezugsmenschen schreien hörte, als sie vom SEK krankenhausreif geprügelt wurde. Später erzählte sie mir, dass sie dabei ungesichert im Baum saß. Die Bullen schlugen ihr ins Gesicht, in die Rippen. Dann wurden ihr Handschellen angelegt, sie wurde mit Schmerzgriffen in die Hebebühne gezogen und mit dem Brustkorb gegen
das Geländer gestoßen. Die Handschellen wurden enger gezogen. Die SEK Beamten standen auf ihrem Rücken. Wir wurden in einen Wartebereich zur Durchsuchung gebracht. Ich sah, dass sie große Schmerzen hatte, keine Luft mehr bekam. Ich wollte zu ihr, doch ein Bulle warf mich zu Boden und fesselte mich. Sie musste in eine Ambulanz gebracht werden. Aber um in ein Krankenhaus gefahren zu werden, hätte sie ihre Personalien angeben müssen. Sie verweigerte. In der Gesa in Kassel wurde sie erneut geschlagen, sodass sie nach der ED-Behandlung in einem Rollstuhl aus der Bullenwache gebracht werden musste.
Die Polizeigewalt von der ich hier berichte ist kein Einzelfall. Ganz im Gegenteil. Täglich litten Aktivist*innen unter Prellungen durch  Schalagstockeinsätze, Hämatomen, schwere Verletzungen der Handgelenke durch Schmerzgriffe, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Hinzu kommt die psychische Gewalt, die die Bullen auf Aktivist*innen ausübten. In einem Statement zu Polizeigewalt berichtete am 20.11 das Sani Team unter anderem: „Innerhalb von 4 Tagen gab es 2 Fälle von
Schädel-Hirn-Traumata, bei denen Personen ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Bildgebende Untersuchungen wurden bei beiden durchgeführt, um eine Hirnblutung auszuschließen. Eine von den Personen rannte in Richtung eines Harvesters. Dabei erlitt sie  einen Schlag mit einem Schlagstock auf den Kopf, ohne vorherige physische Versuche sie zu stoppen. Die andere Person wurde auf einer Treppe an den Füßen runtergezogen und knallte mit dem Hinterkopf auf den Asphalt.“ Zwei einander umarmede Menschen wurden in 20m Höhe getasert. Bullen durchtrennten mehrfach Sicherungsseile wurden woraufhin Aktivist*innen abstürzten. Bäume wurden in unmittelbarer Nähe von Aktivist*innen gefällt, Menschenleben wurden aufs Spiel gesetzt als Bäume, durch dessen Kronen Traversen, in denen Menschen hingen, gefällt wurden. Ein Teil von mir ist sogar erleichtert, dass die Trasse jetzt fertig gerodet ist, da ich ernsthaft befürchtete, dass das unmenschliche Verhalten der Bullen noch einen Menschen das Leben  kosten würde. Das alles geschah unter dem heuchlerischen Motto  „Sicherheit statt Schnelligkeit“. Wir sind unfassbar wütend und entsetzt über die Polizeigewalt – hier und überall. Anfang Dezember kam es unerwartet zu meiner letzten Räumung im Danni. Nachdem ich gewaltsam von Klettercops geräumt worden war und von BFE Bullen erniedrigt und körperlich verletzt worden war, saß ich für 24 Stunden in der Gesa, wurde dann zum Amtsgericht Gießen gebracht, wo die Entscheidung fiel, mich in U-Haft zu stecken. Da ich die Personalien verweigerte und außerdem in Quarantäne musste, wie alle neuen Gefangenen, bedeutete das Einzelzelle, keine Besuche, keine Telefonate, keine Aktivitäten. Nur eine Stunde Hofgang am Tag. Die Beamt*innen gaben mir keinerlei Informationen, alles was wichtig zu wissen war erfuhr ich nur über andere Gefangene. Das Brot, das ein bis zweimal am Tag gebracht wurde, war teilweise verschimmelt. In der ersten Nacht wurde jede Stunde in die Zelle geleuchtet, um zu kontrollieren, ob ich noch am Leben sei. Ab dem zweiten Tag wurde alle drei Stunden kontrolliert. Ich hatte das Glück, nachdem ich meine Personalien freigegeben hatte recht schnell entlassen zu werden. Aber andere sitzen noch immer. Ich erkläre mich solidarisch mit allen Gefangenen. Nieder mit den Knästen. No one is free until all are free!
Der Kampf um den Danni war ein Kampf für den Erhalt der Natur, für die Verkehrswende und für Klimagerechtigkeit. Es war aber auch der Kampf um einen Freiraum jenseits von Herrschaft, Kapitalismus und Patriarchat. Die Räumung ist also auch aus feministischer Sicht, genauso wie die Räumung der Liebig34, ein Schlag ins Gesicht. Für mich war der Danni ein Rückzugsort vor dem alltäglichen Sexismus, der zumindest überwiegend frei von patriarchalen Strukturen war. Der Kampf gegen die Klimakrise ist ein Kampf gegen Kapital und Staat. Den Danni haben sie uns genommen. Aber unser Kampf bleibt bestehen.

 


Quellen:
https://www.rote-hilfe.de/news/bundesvorstand/1104-rodung-im-dannenroeder-wald-forderte-
mehrere-schwerverletzte-jva-frankfurt-verweigert-trotz-gerichtsurteil-die-auszahlung-von-geld-an-
gefangene
https://waldstattasphalt.blackblogs.org/2020/11/20/statement-zur-polizeigewalt-im-dannenroeder-
wald-vom-sani-team/
https://www.robinwood.de/blog/das-unfassbare-versagen-der-gr%C3%BCnen