Gesellschaftliche Abgründe vor, während und nach Corona
Während sich die ersten Menschen in Quarantäne begeben, feiern die deutschen Autoritären auch jetzt einen Erfolg nach dem Anderen. Die Innenpolitik übt sich darin Freiheitsrechte einzuschränken, politischen Widerstand zu kriminalisieren und immer mehr Polizist*innen einzustellen. So gut wie jedes Bundesland ist dabei die jeweiligen Polizeigesetze zu verschärfen, oder haben dies – wie BaWü im Schatten der medialen Coronaübermacht – kürzlich getan. Außenpolitisch wird abgeschottet und wenn das nicht mehr geht, werden Minimalstkompromisse eingegangen. So bringt es die Politik beispielsweise fertig sich dafür zu feiern, dass 1600 minderjährige Menschen, die aus lebensgefährlichen Kriegsgebieten in Lager mit ähnlich prekären Lebensumständen geflohen sind, jetzt auf acht EU-Länder verteilt werden. Was mit den mindestens 3500 anderen Kindern und Jugendlichen auf Lesbos passiert ist dann egal, es wurde ja etwas getan, die Gesellschaft gibt sich damit zufrieden, auch wenn genug Platz wäre um konkret Menschenleben zu retten. Der Staat stärkt seine Stellung und gibt sich hart, sowohl nach innen, als auch nach außen.
Gleichzeitig scheinen die letzten gesellschaftlichen Krisen schon sehr weit weg, sind sie doch von einem schweren Coronateppich bedeckt. Doch die Etablierung der Rechten in der „Mitte der Gesellschaft“ schreitet nach wie vor voran, auch wenn öffentliche Veranstaltungen und Kundgebungen der AfD und anderer ultrarechter Gruppierungen jetzt erst einmal verschoben weden. Die Empörung über die rassistischen Morde in Hanau ist schon lange verstummt, während CDU, FDP und all die anderen, die den Nazis seit Jahrzehnten den roten Teppich ausrollen und den Wiederaufstieg des Faschismus fördern, mit kurzen Mitleidsbekundungen, zynischer Überraschung und einem Schrei nach mehr Sicherheitskräften ohne Verlust ihres Ansehens davonkamen. Auch interessiert es keinen Menschen mehr, dass sich der FDPler Kemmerich von der AfD wählen lassen hat und dass der „linke“ Ramelow den AfD-Landtagsabgeordneten Michael Kaufmann zu einem von fünf Landtagsvizepräsidenten gewählt hat, werden viele nicht einmal mitbekommen haben. Dass ein Ministerpräsident der Linken einen AfDler wählt – und sei es um die parlamentarischen Vorgänge möglich zu machen – ist ein schwerer Tabubruch und leider Teil einer Realität, in der die CDU und die FDP ihrerseits für den „Tabubruch“ die Wahl Ramelows nicht durch die Wahl Höckes verhindert zu haben, deutlich mehr Gegenwind bekommen als die Linke.
In dieser Realität trauen sich Nazis mittlerweile einen mehrfachen Mord offen für ihre „Systemmedienkritik“ zu instrumentalisieren und die AfD schafft es sich weiter als Opfer darzustellen. All das wird von der breiten Öffentlichkeit entweder nicht wahrgenommen, oder runtergespielt und spätestens wenn ein Mercedesstern abgebrochen oder eine Wand verschönert wurde, komplett vergessen.
Mit der zunehmenden Präsenz der COVID-19-Thematik bauen die Faschist*innen ihr Selbstbild gegenüber der Gesellschaft um. Waren sie noch vor kurzer Zeit martialische Vorkämpfer der Deutschen, die dem Islam und Deutschlandhassenden die Stirn boten, so geben sie sich in der Krise als „volksnahe“ und „hilfsbereite“ Patrioten, die den alten Deutschen ihre Einkäufe erledigen. Für uns ist es selbstverständlich unsere eigenen solidarischen Strukturen, unabhängig von sozialem Status, Herkunft, Religion, Alter, Gender und Sexualität, hoch zu halten und weiterhin den Rechten auf jeder Ebene entgegenzutreten.
Wenn die Pandemie und damit die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit vorbeigehen, werden die Nazis wieder versuchen aufzumarschieren.
Dann werden wir da sein! Uns gehört die Straße – keinen Fußbreit den Faschist*innen, nicht vor, nicht während und selbstverständlich auch nicht nach Corona!